Die Mär der tapferen Königstochter
So hört nun die Geschichte der tapferen Prinzessin und des geretteten Wanderers!
Es begab sich im Freistaate Thüringen, dass seine Exzellenz, König Heinrich I. mit seinem gesamten Hofstaate ein prächtiges Fest veranstaltete.
Zahlreiche der Edlen seines Reiches waren dem Ruf gefolgt, als der gute König, gemeinsam mit seinem Weibe, der Königin Mathilde und seinen liebreizenden Töchtern, der Prinzessin Gerberga und der jungen Prinzessin Hadwiga so anreiste.
Viele der Rittersleute waren in guter Stimmung, während der Herold sich auf Geheiß des Königs unter das Volk mischte, um auf diese Weise jeglicher Verräter habhaft werden zu können, sie dem Pranger preiszugeben.
Prächtig war das Volk, welches so am Hofe des Königs auftrat, so lasst mich euch nun beschreiben, was ihr an jenem Abend der Pracht verpasstet. Doch verzeiht mir, sollte ich manche der edlen Gesellschaft vergessen, ist doch mein Wissen beschränkt und ward mein Auge auch geblendet von all dem Prunk, der mich umgab...
An erster Stelle gebührt der Königin Mathilde der Ruhm, angetan in einem weißen Kleid, besetzt mit Gemmen und verziert mit Gold war sie eine wahre Pracht für jedes Auge und es stand keine Frage, dass dieses Weibe, dem man neben seiner Schönheit auch jene Klugheit, über die geschickte Frauen zu verfügen pflegen, nachsagte, die rechtmäßige Herrin unser aller Leben sei.
Nicht minder in seiner Pracht war unser aller König vor dem Herrn, Heinrich, dessen pelzverbrämter Hut und kunstvoll gearbeitetes Prunkgewand schon von Weitem von seinem Ruhme kündeten. Im Schein der Fackeln funkelte auch hier so manch edler Stein und manches Fädchen von Gold an seinem Wams – Wie mir zu Ohren kam, erzählte wohl jeder einzelne der unzähligen Steine eine eigene Geschichte vom weisen und klugen Handeln unseres Königs, berichtete jeder Faden Goldes in seinem Gewand von einer ruhmreich gewonnenen Schlacht. So jedenfalls erzählte man es sich an jenem Abend unter dem versammelten Volke.
Auch die Töchter des Königs kommen um eine Erwähnung nicht umhin: Gerbergas Anmut und Liebreiz waren weithin unter dem Volke bekannt und wie sie sich so unter den Edlen bewegte, wurde ein jeder, der einen Blick nach ihr warf, auch ihres mildtätigen und guten Herzens gewahr. Die älteste Prinzessin war umschwebt von einem wunderbaren Kleid aus einfachen Stoffen – zweifelsohne ein Beweis ihrer Frömmigkeit, denn ein Bauer berichtete mir, sie habe ihre wertvollen Kleider verkauft, um einem Kloster spenden zu können. Dennoch strahlte auch dieses Kleid, leuchtend in smaragdenem Grün und mit Ärmeln, weiß wie Schwanenfedern, eben die Würde aus, welche einer Prinzessin gebührt.
Hadwiga, die jüngere Schwester Gerbergas jedoch war nicht minder bewundernswert: Auch sie sprach freundlich zum Volke und glitt in einer Eleganz durch die Halle, dass – ich sah es selbst! - einem der Spielleute der Atem verstummte, denn obwohl sie lediglich ein wenig flanierte, schien es doch allen, als würde sie schwebend in ihrem roten Kleid, verziert mit einem schwarzen Wams und einem pelzverbrämten Kragen durch die treuen Gefolgsleute tanzen.
Auch der Landgraf der freien Reichstadt Nordhausen ließ seine erhabene Präsenz nicht auf diesem Feste missen. Sein samtenes, grünes Wams trug das Wappen der Stadt – ganz ein Mann seiner Aufgaben stand er, der für seine strengen, aber gerechten Urteile wie auch seine Beliebtheit beim Weibsvolk bekannt war, nahe dem König, um mit ihm allerlei Reichsgeheimnisse zu bereden.
Zahlreiche der getreuen Ritter des Königs waren ebenfalls anwesend, unter ihnen Hagen von Tronje, der später in dieser Erzählung noch weitere Erwähnung finden soll. Ebenso der weise Magister und viele Gelehrte. Gern würde ich auch all diese wohlfeinen Herrschaften dem geneigten Hörer vorstellen, doch versagt mir die Zunge ihren Dienst, in Anbetracht all jener gestandenen Recken und listigen Frauen, die an diesem Abend anwesend waren.
Allerlei köstliche Gerichte wollten den Gaumen zu diesem Feste reizen, denn die Köche hatten Tage in ihren Küchen verbracht, um vier wunderbare Gänge zu bereiten, auf das niemand diese Tafel hungrig verließe.
Im ersten Gang erwartete die Gesellschaft eine leichte Speise von Kümmelbroten und dem besten Schmalz vom Schwein – eine vortreffliche Einleitung für die Dinge, die da noch kommen sollten.
Der zweite Gang beglückte uns mit frischen Erdäpfeln, zu denen die Mägde Quark reichten, der mit allerlei Lauchgewächsen verfeinert war. Hier begannen sich schon die ersten Mägen zu füllen und, wahrlich, auch ich musste mich stark zurückhalten, um nicht ebenfalls schon den Genüssen des Gaumens zu erliegen.
Doch, an dieser Stelle will ich, ehe dem geneigten Hörer der Mund wässrig wird, von einer gar schrecklichen und doch wunderbaren Unterbrechung berichten, die beinahe im Unglück geendet hätte und doch dieser Geschichte ihren Namen verlieh.
Es begab sich, dass zwischen den einzelnen Gängen Spielleute, Gaukler und auch manche der Ritter ihre Künste vorführten – so kam es unter anderem zu einem Beispiel meisterlichster Bogenschützenkunst, wie ich in meinem Leben noch keine zweite gesehen habe. Der Ritter Alexander von Heringen erklärte sich todesmutig bereit, einen Apfel auf seinem tapfer erhobenen Haupte zu balancieren, während ein stolzer Schütze den Langbogen bespannte, um dem König seine meisterliche Fertigkeit in dieser Waffenkunst zu demonstrieren.
Rasch bereitete sich eine Gasse zwischen den Edelleuten, die diesem Schauspiel zwar beiwohnen, ihm jedoch nicht zu nahe kommen wollten. Mit weiten Schritten durchmaß der Schütze die Halle, so dass der Ritter nahe dem Thron des Königs kniete, der Schütze jedoch am anderen Ende des riesigen Raumes seinen Pfeil auflegte.
Angespannte Stille herrschte unter dem anwesenden Volke, war doch allen auch bewusst, dass der Alexander von Heringen ein nicht einflussloser Rittersmann war, der bereits sieben Hufe Lehen für seine Treue erhalten hatte.
Nun schnellte der Pfeil von der Sehne, das Volk hielt den Atem an...
...und brach in Jubel aus, als das Geschoss den Apfel mittig durchbohrte und vom Kopf des Alexanders schoss, der in grenzenloser Todesverachtung nicht einmal mit der Wimper zuckte.
Doch, oh je, der Jubel über dieses Schauspiel wurde alsbald unterbrochen, als der Herold, der seiner Aufgabe unter dem Volke nachgekommen war, an unser aller König Heinrich herantrat und ihm kündete, es befände sich ein Verräter in der Gesellschaft, einer ohne Stand und Namen.
Ihm war nämlich zu Ohren gekommen, das ein Geselle in den Wanderjahren aus dem Lande Anhalt ebenfalls an dieser Festlichkeit teilnahm! Ein gewisser Daniel von Köthen, so hieß es, der ausgezogen war, um auf seiner Wanderschaft von den Gelehrten und Meistern manches Geheimnis zu erfahren und manche Kunst zu erlernen. Jemand aus dem Lande Anhalt also, war der nicht vielleicht vom dortigen Fürsten geschickt, zu sehen, ob sich etwas finden ließe, dass gegen den König verwendet werden könne?
Diese Gerüchte nun unterbreitete der Herold dem König, während der Ritter Hagen von Tronje den Angeklagten vor das Angesicht des Heinrich führte, ihn unter Gottes Namen zu befragen, ob diese Anschuldigungen wahr seien.
Just als die Stimme des jungen Mannes sich zu einem Treueschwur auf den König erhob, wurde diese von der energischen Stimme der schönen Prinzessin Gerberga unterbrochen.
„Dieser Mann dort, mein Vater, ist unschuldig!“
Alle Blicke hafteten nun auf der Prinzessin, denn niemand wusste recht, woher sie ihre Sicherheit nahm und ob der Bursche sie nicht verhext habe.
Doch sie trat entschlossen an die Seite dieses Wandersmannes und verkündete etwas, was das Volk in noch größeres Erstaunen versetzte:
„Mein Herz ist schon seit langer Zeit entbrannt für diesen Mann und auch wenn er von geringem Stand ist, Vater, so liebe ich ihn dennoch. Ich war es, der ihn zu dieser Festlichkeit einlud und in meiner Brust trage ich die Freude, dass er gekommen ist. Mein Wunsch ist es, ihn zu ehelichen.“
Diese Worte hörten der König und das Volk an der Grenze der Verwunderung, doch Hagen von Tronje, bekannt für seine treue Seele und seinen Dickschädel in derlei Dingen, gab nicht nach.
„Nichts ändert dies an den Anschuldigungen und so muss er sich dennoch vor uns verteidigen! Oder wollt ihr für ihn eintreten, Prinzessin Gerberga?“
Mit festem Blick tat die Prinzessin einen Schritt auf den Ritter zu, funkelte ihn an und nickte schließlich, wieder dem König zugewandt.
„Ja, ich bin bereit, für diesen Mann einzutreten. Mein König, auch wenn er keiner von hohem Geblüt ist, so liebe ich ihn dennoch, komme was da wolle!“
Der König runzelte die Stirn, offensichtlich unvorbereitet getroffen von dieser Entwicklung der Ereignisse. Man sah, dass zahlreiche Gedanken durch sein Herz gingen und schließlich erhob er die Stimme, sein wohl durchdachtes Urteil zu verkünden. Er nickte bedächtig.
„Meinen Segen habt ihr.“ seine Augen gingen suchend durch den Saal. „Gibt es Einwände gegen diese Eheschließung?“
In diesem Moment stand die Königin auf, machte einen Knicks und erhob ihren Einwand
„Mein König, wenn die Prinzessin in Liebe zu diesem Mann entbrannt ist, so ist dies Gottes Werk und wir können dagegen nichts machen. Doch brächte es Schande über uns, wenn eine von Adel jemanden aus dem einfachen Volk ehelichen würde, so können wir nicht verfahren. Doch, mein Gemahl, von Gottes Gnaden wurde dir das Recht gegeben, jene, die du für würdig erachtest mit dem Schwert des Adels zu segnen. Es liegt also in deiner Hand, diesen Makel zu beheben.“
Während dieser Rede hatte sich ein Lächeln auf das Gesicht des Königs geschlichen
„Weise gesprochen, meine Königin und eben diese Gedanken gingen auch durch meinen Kopf.“
Der König zog sein Schwert und trat auf den jungen Wandersburschen zu, der all diese Reden und Gedankengänge voller Verblüffung angehört hatte. War er sich eben noch seines Todes sicher gewesen, eines Todes aus Liebe, wie er sicher die Dichter zu manchem Werk verleiten könnte, so stand er nun vor dem König und sollte geadelt werden? Wahrlich, Gottes Wege waren verschlungen!
Schon sollte er auch niederknien und senkte das Haupt vor seinem Herrscher.
„Im Namen Gottes des Barmherzigen, sagt mir euren Namen und eure Herkunft, Bursche!“
Der Wanderer wurde nun offenkundig nervös, er haspelte:
„Man nennt mich Daniel.“
„Und in welchem Land liegt eure Herkunft?“
„Ich komme aus dem Lande Anhalt. Aus dem Ort Köthen.“
Die Schwertklinge ruhte für einen Augenblick auf der linken Schulter des Mannes. Feierliche Stille war eingetreten und auch der immer noch misstrauische Hagen von Tronje schwieg in diesem Moment.
„So erhebe dich, Daniel von Köthen.“
Der Tonfall des Königs war tief, würdevoll und ganz so, wie man es bei der Ausführung einer gottgegebenen Handlung erwarten würde. Der Neugeadelte Daniel von Köthen erhob sich unsicher und mit hochrotem Kopf, blickte zum König auf, der ihm eine Ohrfeige versetzte.
„Dieser Schlag wird der Letzte sein, den du ungestraft vergehen lässt. Und er ist vorbeugend. Behandle meine Tochter immer gut.“
Zaghaft verbeugte sich der junge Mann vor seinem Herrn, stieß leise ein
„Ja, mein König“
hervor und trat dann zurück zu seiner Angebeteten. Alsbald verschwanden die beiden auch, um nun die vorgeschriebenen 24 Stunden des Fastens und Betens gemeinsam in der nahegelegenen Kapelle zu verbringen, um so Gottes Segen für den Adel des Daniel von Köthen und die Liebe zwischen diesen beiden Menschen zu erbitten.
Zu dieser Zeit wurde auch der dritte Gang aufgetragen: Spanferkel, jung und knusprig gebraten über dem offenen Feuer. Köstliche Hühnchen, zart und schmackhaft und dazu Sauerkraut, wie ihn jeder der Rittersleute zu einer deftigen Mahlzeit liebt. Das Schlemmen war groß, als nun diese Köstlichkeiten aufgetragen wurden und kein Mund war da mehr trocken, als köstlicher Met aus nördlichen Landen die Kehlen netzte.
Zu guter Letzt, als der Großteil des edlen Volkes schon voll und satt in den Stühlen lag, wurde schließlich auch der vierte Gang aufgetragen: Prächtige Platten voller Obst aus aller Herren Länder – wahrlich, unser König hatte keine Mühen gescheut, dieses Fest würdig zu gestalten. Und es war keiner unter den Anwesenden, gleich, wie satt sie sein mochten, die diesem köstlichen Obst zu widerstehen vermochte.
Das Fest ging nun so noch Stund' um Stunde, als viele der tapferen Rittersleute versuchten, sich gegenseitig in ihrer Trinkfestigkeit zu überbieten, die Edlen über Geheimnisse des Reiches und der Staatsverwaltung disputierten und so mancher derbe Scherz fiel.
Ich für meinen Teil zog mich derweil zurück, doch vernahmen meine Ohren bereits manche neue Geschichten, die den Mut jener Prinzessin lobten, die ihren Geliebten vor dem Pranger rettete. Eine Geschichte, in der einmal nicht die holde Maid Errettung suchte, sondern Errettung ward. Als meine Schritte mich so aus der hohen Halle führten fand sich mein Blick noch einmal mit dem des Königs, der mir schelmisch zuzwinkerte und mich dann mit einer Geste entließ. Ich raffte wieder meine Pergamente, Tinte und Feder, mit denen diese Zeilen über das große Fest und die tapfere Königstochter entstanden und ging alsbald zur Ruh', um ein wenig zu träumen... In der Hoffnung, dereinst auch einmal Teil solch einer Geschichte zu werden, anstatt sie stets nur niederzuschreiben... Und fürwahr, die Mär der tapferen Königstochter fand ihren Weg in die Erinnerung der Leute, so dass heute ein jeder um die stolze Prinzessin Gerberga und ihre Liebe zu einem Wandersmann weiß...
(Daniel Brenn, 11.12.2005)
Es begab sich im Freistaate Thüringen, dass seine Exzellenz, König Heinrich I. mit seinem gesamten Hofstaate ein prächtiges Fest veranstaltete.
Zahlreiche der Edlen seines Reiches waren dem Ruf gefolgt, als der gute König, gemeinsam mit seinem Weibe, der Königin Mathilde und seinen liebreizenden Töchtern, der Prinzessin Gerberga und der jungen Prinzessin Hadwiga so anreiste.
Viele der Rittersleute waren in guter Stimmung, während der Herold sich auf Geheiß des Königs unter das Volk mischte, um auf diese Weise jeglicher Verräter habhaft werden zu können, sie dem Pranger preiszugeben.
Prächtig war das Volk, welches so am Hofe des Königs auftrat, so lasst mich euch nun beschreiben, was ihr an jenem Abend der Pracht verpasstet. Doch verzeiht mir, sollte ich manche der edlen Gesellschaft vergessen, ist doch mein Wissen beschränkt und ward mein Auge auch geblendet von all dem Prunk, der mich umgab...
An erster Stelle gebührt der Königin Mathilde der Ruhm, angetan in einem weißen Kleid, besetzt mit Gemmen und verziert mit Gold war sie eine wahre Pracht für jedes Auge und es stand keine Frage, dass dieses Weibe, dem man neben seiner Schönheit auch jene Klugheit, über die geschickte Frauen zu verfügen pflegen, nachsagte, die rechtmäßige Herrin unser aller Leben sei.
Nicht minder in seiner Pracht war unser aller König vor dem Herrn, Heinrich, dessen pelzverbrämter Hut und kunstvoll gearbeitetes Prunkgewand schon von Weitem von seinem Ruhme kündeten. Im Schein der Fackeln funkelte auch hier so manch edler Stein und manches Fädchen von Gold an seinem Wams – Wie mir zu Ohren kam, erzählte wohl jeder einzelne der unzähligen Steine eine eigene Geschichte vom weisen und klugen Handeln unseres Königs, berichtete jeder Faden Goldes in seinem Gewand von einer ruhmreich gewonnenen Schlacht. So jedenfalls erzählte man es sich an jenem Abend unter dem versammelten Volke.
Auch die Töchter des Königs kommen um eine Erwähnung nicht umhin: Gerbergas Anmut und Liebreiz waren weithin unter dem Volke bekannt und wie sie sich so unter den Edlen bewegte, wurde ein jeder, der einen Blick nach ihr warf, auch ihres mildtätigen und guten Herzens gewahr. Die älteste Prinzessin war umschwebt von einem wunderbaren Kleid aus einfachen Stoffen – zweifelsohne ein Beweis ihrer Frömmigkeit, denn ein Bauer berichtete mir, sie habe ihre wertvollen Kleider verkauft, um einem Kloster spenden zu können. Dennoch strahlte auch dieses Kleid, leuchtend in smaragdenem Grün und mit Ärmeln, weiß wie Schwanenfedern, eben die Würde aus, welche einer Prinzessin gebührt.
Hadwiga, die jüngere Schwester Gerbergas jedoch war nicht minder bewundernswert: Auch sie sprach freundlich zum Volke und glitt in einer Eleganz durch die Halle, dass – ich sah es selbst! - einem der Spielleute der Atem verstummte, denn obwohl sie lediglich ein wenig flanierte, schien es doch allen, als würde sie schwebend in ihrem roten Kleid, verziert mit einem schwarzen Wams und einem pelzverbrämten Kragen durch die treuen Gefolgsleute tanzen.
Auch der Landgraf der freien Reichstadt Nordhausen ließ seine erhabene Präsenz nicht auf diesem Feste missen. Sein samtenes, grünes Wams trug das Wappen der Stadt – ganz ein Mann seiner Aufgaben stand er, der für seine strengen, aber gerechten Urteile wie auch seine Beliebtheit beim Weibsvolk bekannt war, nahe dem König, um mit ihm allerlei Reichsgeheimnisse zu bereden.
Zahlreiche der getreuen Ritter des Königs waren ebenfalls anwesend, unter ihnen Hagen von Tronje, der später in dieser Erzählung noch weitere Erwähnung finden soll. Ebenso der weise Magister und viele Gelehrte. Gern würde ich auch all diese wohlfeinen Herrschaften dem geneigten Hörer vorstellen, doch versagt mir die Zunge ihren Dienst, in Anbetracht all jener gestandenen Recken und listigen Frauen, die an diesem Abend anwesend waren.
Allerlei köstliche Gerichte wollten den Gaumen zu diesem Feste reizen, denn die Köche hatten Tage in ihren Küchen verbracht, um vier wunderbare Gänge zu bereiten, auf das niemand diese Tafel hungrig verließe.
Im ersten Gang erwartete die Gesellschaft eine leichte Speise von Kümmelbroten und dem besten Schmalz vom Schwein – eine vortreffliche Einleitung für die Dinge, die da noch kommen sollten.
Der zweite Gang beglückte uns mit frischen Erdäpfeln, zu denen die Mägde Quark reichten, der mit allerlei Lauchgewächsen verfeinert war. Hier begannen sich schon die ersten Mägen zu füllen und, wahrlich, auch ich musste mich stark zurückhalten, um nicht ebenfalls schon den Genüssen des Gaumens zu erliegen.
Doch, an dieser Stelle will ich, ehe dem geneigten Hörer der Mund wässrig wird, von einer gar schrecklichen und doch wunderbaren Unterbrechung berichten, die beinahe im Unglück geendet hätte und doch dieser Geschichte ihren Namen verlieh.
Es begab sich, dass zwischen den einzelnen Gängen Spielleute, Gaukler und auch manche der Ritter ihre Künste vorführten – so kam es unter anderem zu einem Beispiel meisterlichster Bogenschützenkunst, wie ich in meinem Leben noch keine zweite gesehen habe. Der Ritter Alexander von Heringen erklärte sich todesmutig bereit, einen Apfel auf seinem tapfer erhobenen Haupte zu balancieren, während ein stolzer Schütze den Langbogen bespannte, um dem König seine meisterliche Fertigkeit in dieser Waffenkunst zu demonstrieren.
Rasch bereitete sich eine Gasse zwischen den Edelleuten, die diesem Schauspiel zwar beiwohnen, ihm jedoch nicht zu nahe kommen wollten. Mit weiten Schritten durchmaß der Schütze die Halle, so dass der Ritter nahe dem Thron des Königs kniete, der Schütze jedoch am anderen Ende des riesigen Raumes seinen Pfeil auflegte.
Angespannte Stille herrschte unter dem anwesenden Volke, war doch allen auch bewusst, dass der Alexander von Heringen ein nicht einflussloser Rittersmann war, der bereits sieben Hufe Lehen für seine Treue erhalten hatte.
Nun schnellte der Pfeil von der Sehne, das Volk hielt den Atem an...
...und brach in Jubel aus, als das Geschoss den Apfel mittig durchbohrte und vom Kopf des Alexanders schoss, der in grenzenloser Todesverachtung nicht einmal mit der Wimper zuckte.
Doch, oh je, der Jubel über dieses Schauspiel wurde alsbald unterbrochen, als der Herold, der seiner Aufgabe unter dem Volke nachgekommen war, an unser aller König Heinrich herantrat und ihm kündete, es befände sich ein Verräter in der Gesellschaft, einer ohne Stand und Namen.
Ihm war nämlich zu Ohren gekommen, das ein Geselle in den Wanderjahren aus dem Lande Anhalt ebenfalls an dieser Festlichkeit teilnahm! Ein gewisser Daniel von Köthen, so hieß es, der ausgezogen war, um auf seiner Wanderschaft von den Gelehrten und Meistern manches Geheimnis zu erfahren und manche Kunst zu erlernen. Jemand aus dem Lande Anhalt also, war der nicht vielleicht vom dortigen Fürsten geschickt, zu sehen, ob sich etwas finden ließe, dass gegen den König verwendet werden könne?
Diese Gerüchte nun unterbreitete der Herold dem König, während der Ritter Hagen von Tronje den Angeklagten vor das Angesicht des Heinrich führte, ihn unter Gottes Namen zu befragen, ob diese Anschuldigungen wahr seien.
Just als die Stimme des jungen Mannes sich zu einem Treueschwur auf den König erhob, wurde diese von der energischen Stimme der schönen Prinzessin Gerberga unterbrochen.
„Dieser Mann dort, mein Vater, ist unschuldig!“
Alle Blicke hafteten nun auf der Prinzessin, denn niemand wusste recht, woher sie ihre Sicherheit nahm und ob der Bursche sie nicht verhext habe.
Doch sie trat entschlossen an die Seite dieses Wandersmannes und verkündete etwas, was das Volk in noch größeres Erstaunen versetzte:
„Mein Herz ist schon seit langer Zeit entbrannt für diesen Mann und auch wenn er von geringem Stand ist, Vater, so liebe ich ihn dennoch. Ich war es, der ihn zu dieser Festlichkeit einlud und in meiner Brust trage ich die Freude, dass er gekommen ist. Mein Wunsch ist es, ihn zu ehelichen.“
Diese Worte hörten der König und das Volk an der Grenze der Verwunderung, doch Hagen von Tronje, bekannt für seine treue Seele und seinen Dickschädel in derlei Dingen, gab nicht nach.
„Nichts ändert dies an den Anschuldigungen und so muss er sich dennoch vor uns verteidigen! Oder wollt ihr für ihn eintreten, Prinzessin Gerberga?“
Mit festem Blick tat die Prinzessin einen Schritt auf den Ritter zu, funkelte ihn an und nickte schließlich, wieder dem König zugewandt.
„Ja, ich bin bereit, für diesen Mann einzutreten. Mein König, auch wenn er keiner von hohem Geblüt ist, so liebe ich ihn dennoch, komme was da wolle!“
Der König runzelte die Stirn, offensichtlich unvorbereitet getroffen von dieser Entwicklung der Ereignisse. Man sah, dass zahlreiche Gedanken durch sein Herz gingen und schließlich erhob er die Stimme, sein wohl durchdachtes Urteil zu verkünden. Er nickte bedächtig.
„Meinen Segen habt ihr.“ seine Augen gingen suchend durch den Saal. „Gibt es Einwände gegen diese Eheschließung?“
In diesem Moment stand die Königin auf, machte einen Knicks und erhob ihren Einwand
„Mein König, wenn die Prinzessin in Liebe zu diesem Mann entbrannt ist, so ist dies Gottes Werk und wir können dagegen nichts machen. Doch brächte es Schande über uns, wenn eine von Adel jemanden aus dem einfachen Volk ehelichen würde, so können wir nicht verfahren. Doch, mein Gemahl, von Gottes Gnaden wurde dir das Recht gegeben, jene, die du für würdig erachtest mit dem Schwert des Adels zu segnen. Es liegt also in deiner Hand, diesen Makel zu beheben.“
Während dieser Rede hatte sich ein Lächeln auf das Gesicht des Königs geschlichen
„Weise gesprochen, meine Königin und eben diese Gedanken gingen auch durch meinen Kopf.“
Der König zog sein Schwert und trat auf den jungen Wandersburschen zu, der all diese Reden und Gedankengänge voller Verblüffung angehört hatte. War er sich eben noch seines Todes sicher gewesen, eines Todes aus Liebe, wie er sicher die Dichter zu manchem Werk verleiten könnte, so stand er nun vor dem König und sollte geadelt werden? Wahrlich, Gottes Wege waren verschlungen!
Schon sollte er auch niederknien und senkte das Haupt vor seinem Herrscher.
„Im Namen Gottes des Barmherzigen, sagt mir euren Namen und eure Herkunft, Bursche!“
Der Wanderer wurde nun offenkundig nervös, er haspelte:
„Man nennt mich Daniel.“
„Und in welchem Land liegt eure Herkunft?“
„Ich komme aus dem Lande Anhalt. Aus dem Ort Köthen.“
Die Schwertklinge ruhte für einen Augenblick auf der linken Schulter des Mannes. Feierliche Stille war eingetreten und auch der immer noch misstrauische Hagen von Tronje schwieg in diesem Moment.
„So erhebe dich, Daniel von Köthen.“
Der Tonfall des Königs war tief, würdevoll und ganz so, wie man es bei der Ausführung einer gottgegebenen Handlung erwarten würde. Der Neugeadelte Daniel von Köthen erhob sich unsicher und mit hochrotem Kopf, blickte zum König auf, der ihm eine Ohrfeige versetzte.
„Dieser Schlag wird der Letzte sein, den du ungestraft vergehen lässt. Und er ist vorbeugend. Behandle meine Tochter immer gut.“
Zaghaft verbeugte sich der junge Mann vor seinem Herrn, stieß leise ein
„Ja, mein König“
hervor und trat dann zurück zu seiner Angebeteten. Alsbald verschwanden die beiden auch, um nun die vorgeschriebenen 24 Stunden des Fastens und Betens gemeinsam in der nahegelegenen Kapelle zu verbringen, um so Gottes Segen für den Adel des Daniel von Köthen und die Liebe zwischen diesen beiden Menschen zu erbitten.
Zu dieser Zeit wurde auch der dritte Gang aufgetragen: Spanferkel, jung und knusprig gebraten über dem offenen Feuer. Köstliche Hühnchen, zart und schmackhaft und dazu Sauerkraut, wie ihn jeder der Rittersleute zu einer deftigen Mahlzeit liebt. Das Schlemmen war groß, als nun diese Köstlichkeiten aufgetragen wurden und kein Mund war da mehr trocken, als köstlicher Met aus nördlichen Landen die Kehlen netzte.
Zu guter Letzt, als der Großteil des edlen Volkes schon voll und satt in den Stühlen lag, wurde schließlich auch der vierte Gang aufgetragen: Prächtige Platten voller Obst aus aller Herren Länder – wahrlich, unser König hatte keine Mühen gescheut, dieses Fest würdig zu gestalten. Und es war keiner unter den Anwesenden, gleich, wie satt sie sein mochten, die diesem köstlichen Obst zu widerstehen vermochte.
Das Fest ging nun so noch Stund' um Stunde, als viele der tapferen Rittersleute versuchten, sich gegenseitig in ihrer Trinkfestigkeit zu überbieten, die Edlen über Geheimnisse des Reiches und der Staatsverwaltung disputierten und so mancher derbe Scherz fiel.
Ich für meinen Teil zog mich derweil zurück, doch vernahmen meine Ohren bereits manche neue Geschichten, die den Mut jener Prinzessin lobten, die ihren Geliebten vor dem Pranger rettete. Eine Geschichte, in der einmal nicht die holde Maid Errettung suchte, sondern Errettung ward. Als meine Schritte mich so aus der hohen Halle führten fand sich mein Blick noch einmal mit dem des Königs, der mir schelmisch zuzwinkerte und mich dann mit einer Geste entließ. Ich raffte wieder meine Pergamente, Tinte und Feder, mit denen diese Zeilen über das große Fest und die tapfere Königstochter entstanden und ging alsbald zur Ruh', um ein wenig zu träumen... In der Hoffnung, dereinst auch einmal Teil solch einer Geschichte zu werden, anstatt sie stets nur niederzuschreiben... Und fürwahr, die Mär der tapferen Königstochter fand ihren Weg in die Erinnerung der Leute, so dass heute ein jeder um die stolze Prinzessin Gerberga und ihre Liebe zu einem Wandersmann weiß...
(Daniel Brenn, 11.12.2005)
Myr - 11. Dez, 18:42
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